Hochschularbeit

Kirsten Schröder: Die Malereien der Holztonnendecke in der Gerichtslaube des Lüneburger Rathauses. Untersuchung und Erstellung eines Behandlungskonzeptes. (In Zusammenarbeit mit Markus Tillwick) Zurück
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Gerichtslaube, Blick nach Süden (Foto Eduard Lühr Lüneburg 1895)
   

Decke 4. Joch Ost, Gesamtaufnahme des Ädikulenhauptbildes, Enthauptung des gewalttätigen Bewachers der Frau des Orgisgontis durch ihre Freunde
Zusammenfassung: Die umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen des 19. Jh. prägen heute das Aussehen der Malereien des 16. Jhs. an der Holztonnendecke der Gerichtslaube im Rathaus Lüneburg. Neben der Rekonstruktion der Veränderungen am Dachstuhl und an der Tonnendecke beschäftigt sich die Arbeit maßgeblich mit der Entstehungszeit und der Restaurierungsgeschichte der wertvollen und in Niedersachsen einzigartigen profanen Malerei. Vorraussetzung für die Bewahrung des heutigen Bestandes, ist die Erstellung eines Behandlungskonzeptes. Das Konzept basiert auf der Dokumentation des Erhaltungszustandes und auf umfangreichen restauratorischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen der ursprünglichen Malerei, der Übermalungen von 1878-82 und der Restaurierungsphase in den Jahren 1963-65.

Wichtige Erkenntnisse über das Dachwerk, seine Entwicklung und die baulichen Veränderungen, das Material und die Technik wurden anhand von Quellenschriften, dendrochronologischen Untersuchungen und eigenen Beobachtungen vor Ort erarbeitet. Die ältesten noch vorhandenen Hölzer sind dendrochronologisch auf das Jahr 1430 datiert. Es handelt sich dabei um Reste eines vermutlich Offenen Dachwerkes in Form eines dreifachen Kehlbalkendaches mit Hängesäulen und in den Raum hineinragenden Spannbalken. Für die Decke ist hier eine trapezförmige Konstruktion - in Form eines sogenannten Sargdeckels - als Vorgänger zur Tonnendecke denkbar. Die Dachneigung war steiler als die heutige. Im Zuge einer Dachstuhlerneuerung wurde sie 1778 verringert und das bestehende System durch das gegenwärtige ersetzt. Ein weiterer Umbau des Daches und zusätzlich auch der Deckenkonstruktion erfolgte etwa 100 Jahre später. Die letzen noch bestehenden Spannbalken und der in den Raum ragendende Teil der Hängesäulen wurden entfernt und im Dach hat man ein steifes Bindegespärre eingesetzt. Während die Deckenbretter an Ort und Stelle verblieben, wurden die Bohlenbinder ausgetauscht und darüber eine zweite Schale aufgebracht. Bis heute sind die Bretter an vier statt ursprünglich fünf Bohlenbindern pro Joch befestigt. Eine exakte dendrochronologische Einordnung der Tonnendecke ist derzeit nicht möglich. Dendrochronologische Messungen wurden vorgenommen. Da jedoch zur Zeit keine Vergleichskurve besteht und während der Diplomarbeit nicht erstellt werden konnte, war eine Auswertung nicht durchführbar.
Die Einordnung der Deckenmalerei in das Jahr 1529 basiert auf einer Datierung der bemalten Wandschränke an der Westwand. Die gleichzeitige Entstehung beider Malereien und die Zuschreibung zu Marten Jaster bleibt anzuzweifeln. Es wurden verschiedene Indizien zusammengetragen, die auf eine Entstehung der Renaissancemalerei an der Decke nach 1529 schließen lassen. Hierzu seien beispielsweise ikonografische und gestalterische Unterschiede zwischen Westwand- und Deckenmalerei, unklare Beweise diverser Sekundärliteratur, fehlende Eintragungen in den Kämmereirechnungen, Anhaltspunkte in der historischen Dach- und Deckenkonstruktion sowie die unruhigen politischen und gesellschaftlichen Zustände im Jahre 1529 genannt.
Der genaue Zeitpunkt der Entstehung der Holztonnendecke lässt sich bislang nicht festlegen. Mit Sicherheit aber entstand die Deckenmalerei nach 1529, vermutlich sogar aufgrund eines datierten Längsüberzuges erst nach 1565.

Die Auswertung der Streuproben ergab eine für das 16. Jahrhundert typische Pigmentpalette, die vor allem aus Erd- und natürlichen Mineralpigmenten besteht. Bei Betrachtung der Querschliffe zeigte sich ein sehr dünner Farbauftrag auf einer gipshaltigen Grundierung. Die Malereien sind ungefirnisst und die Farben bestehen oftmals aus reinen Pigmenten. Im Falle einer Ausmischungen ist diese auf wenige Pigmente begrenzt. Weiterhin war eine starke Beschädigung der Fassung des 16. Jahrhunderts erkennbar, die bis zum Zeitpunkt der übermalenden Restaurierung ab 1878 nicht überarbeitet wurde. Die Bindemittelanalyse ließ eine Kasein- oder Ei-Tempera vermuten.

Für die Übermalung 1878 – 1882 wurden ebenfalls zeittypische Pigmente nachgewiesen. Es fanden sich neben Erdpigmenten hauptsächlich industriell gefertigte Pigmente. Die Querschliffauswertung ergab vergleichsweise dicke Farbschichten und eine Ausmischung der Farben aus zahlreichen Pigmenten. Reine Pigmente wurden kaum verwendet. Eine Grundierung ist hauptsächlich in der Architekturmalerei und im Hintergrund außerhalb der Hauptbilder aufgetragen. Innerhalb dieser Hauptbilder ist größtenteils auf eine Grundierung verzichtet worden. Nur in Teilen der Gewänder ließ sich eine Grundierung nachweisen. Die Übermalungen sind der ursprünglichen Farbigkeit weitgehend angepasst und ebenfalls ungefirnisst. Die Analyse des Bindemittels ergab die Verwendung einer Öl-Gummi-Tempera.

Der Leim und das Festigungsmaterial, die als Polyvinylacetate analysiert wurden und bei der Restaurierungsphase 1963 – 1965 zur Anwendung kamen, treten besonders in den figürlichen Darstellungen und im Bereich der Stoßfugen auf. Die Retuschen konnten aufgrund ihrer auffällig roten Fluoreszenz im UV-Licht sichtbar gemacht und lokalisiert werden. Das Bindemittel ist harzhaltig und ließ aufgrund der Überlagerung zahlreicher Spektren bei der FTIR-Analyse auf eine industrielle Herstellung der Temperafarben schließen.
Zur Vervollständigung sämtlicher material- und maltechnischer Fakten wurden die Erkenntnisse aus Sekundärliteratur, zahlreichen Akten des Stadtarchivs Lüneburg und des Archivs des NLD Hannover zusammengestellt und durch biografische Daten der Restauratoren H. Fischbach, Hermann Kellner und Christian Buhmann ergänzt.

Als Hauptursache der verschiedenen Schäden an der Malschicht und am Träger Holz sind die klimatischen Bedingungen in der Gerichtslaube zu nennen. Nach der Einsicht in bekannte Klimadaten und der Auswertung eigener Klimamessungen konnte eine große Schwankungsbreite der relativen Luftfeuchtigkeit festgestellt werden. Zusätzlich tragen die Maltechniken und die Materialvielfalt sowie die daraus resultierenden unterschiedlichen Quell- und Schwindverhalten zur Schadensursache bei. Das während der Festigung und der Retusche durch Buhmann eingebrachte Material ließ sich nicht direkt mit den Schäden an der Malschicht in Zusammenhang bringen. Das Festigungsmittel verursacht lediglich störende Glanzstellen.
Nach umfangreichen Vorversuchen und verschiedenen Probeflächen am Objekt wurde Tylose® MH 300 (0,6%-ig gelöst in Wasser und mit Ethanol 2:1 verdünnt) als Festigungsmittel ausgewählt. Als Auftragsmethode erwies sich das Aufstreichen über Japanpapier als optimal. Das Behandlungskonzept bildet die Grundlage einer folgenden umfangreichen Restaurierungsmaßnahme zur Erhaltung der wertvollen Deckenmalereien.
Die Zusammenstellung der gewonnenen Ergebnisse erweitert den bisherigen Erkenntnisstand zur Historie der Gerichtslaube des Lüneburger Rathauses. Darüber hinaus stellen die Analysen von Material und Technik der Deckenmalerei einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Erforschung von profanen Malereien des 16. Jahrhunderts im norddeutschen Raum und dem restauratorischen und ethischen Umgang mit mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Raumkunst im 19. Jahrhundert dar. Für Problemstellungen, die im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht vollständig geklärt werden konnten, dienen die gesammelten Fakten und Indizien als Grundlage weiterer wissenschaftlicher Forschungen.

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Schlagworte: Rathaus Lüneburg, Gerichtslaube, Holztonnendecke, Deckenmalerei, Konservierung, Restaurierung, 19. Jahrhundert, Römische Historien
 
Gesicht der Frau des Orgisgontis, starkes Streiflicht, schalen- und dachförmige Abhebungen der Malschicht und abplatzende Malschichtpakete
Inhalt: 1 Einleitung

2 Benutzerhinweise

3 Angaben zum Objekt

4 Baugeschichte

5 Raumsituation

6 Dachkonstruktion und Deckenkonstruktion

7 Bildprogramm
7.1 Römische Historien

8 Erstfassung der Holztonnendecke
8.1 Entstehungszeit
8.2 Sichtbare Reste ursprünglicher Malschicht
8.3 Auswertung der Querschliffe
8.4 Verwendete Materialien
8.4.1 Bindemittel
8.4.2 Pigmente

9 Restaurierung der Deckenmalerei 1878 – 1882
9.1 Biografie des Restaurators H. Fischbach
9.2 Biografie des Malers Hermann Kellner
9.3 Veränderung der ursprünglichen Gestaltung
9.3.1 Auswertung der Querschliffe
9.4 Verwendete Materialien
9.4.1 Bindemittel
9.4.1.1 Öl-Gummi-Tempera
9.4.2 Pigmente

10 Restaurierung der Deckenmalerei 1963 - 1965
10.1 Restaurierung der Gerichtslaube durch Christian Buhmann
10.2 Die Bildhauer- und Restaurierungswerkstatt Buhmann in Hannover
10.3 Sichtbare Restaurierungsmaßnahmen
10.3.1 Auswertung der Querschliffe
10.4 Verwendete Materialien
10.4.1 Bindemittel
10.4.2 Pigmente

11 Zustand
11.1 Zustand des Trägers
11.2 Zustand der Malerei
11.3 Ergebnisse der Schadenskartierung
11.4 Ursachen

12 Festigung der Malschicht
12.1 Auswahl der Festigungsmittel
12.1.1 Klucel E (Hydroxypropylcellulose)
12.1.2 Mowiol 4-98 (Polyvinylalkohol)
12.1.3 Paraloid B 72 (Ethylmethacrylat / Methylacrylat Copolymer)
12.1.4 Tylose MH 300 (Methylhydroxyethylcellulose)
12.2 Beschreibung und Auswertung der Vorversuche am Objekt
12.3 Beschreibung und Auswertung der Probeflächen am Objekt
12.3.1 Auftragen über Japanpapier
12.3.2 Sprühen
12.3.3 Eintrag mit dem Pinsel
12.3.4 Auswertung der Auftragsmethode
12.3.5 Auswertung der Festigungsmittel

13 Behandlungskonzept
13.1 Festigung der Malereien
13.2 Reinigung der Malereien

14 Fazit

15 Literatur und Quellenschriften

16 Abbildungsverzeichnis

Anhang

Nachtrag zur Frage der Datierung der Holztonnendecke

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weitere Angaben:
  • Hochschule: HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen
  • Art der Arbeit:  Diplomarbeit
  • Erstprüfer/in:  Prof. Dr. Michael von der Goltz
  • Zweitprüfer/in:  Dipl.-Rest. Christina Achhammer
  • Abgabedatum:  2003
  • Sprache:  Deutsch
  • Seitenzahl:  158
  • Abbildungen:  86
 
Kontakt:
 
Kirsten Schröder
Am Taubenfelde 3
30159  Hannover
Deutschland
schroederkirsten@[Diesen Teil loeschen]gmx.de

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